"Moskau sieht sich als natürlicher Verbündeter Europas in Energiefragen, Rasches Ende für russische Energiepartnerschaft mit den USA." Gastkommentar für die Raiffeisen Zeitung. Von Karin Kneissl, April 2003.
Moskau sieht sich als natürlicher Verbündeter Europas in Energiefragen
Rasches Ende für russische Energiepartnerschaft mit den USA
Gastkommentar für die Raiffeisen Zeitung
Von Karin Kneissl
Wien, im April 2003
Im Mai 2002 noch bekannten sich die Präsidenten Wladimir Putin und George Bush bei einem Festakt im Kreml zur Energiepartnerschaft zwischen ihren Staaten. Gemeinsam wollte man Schwankungen der Energiepreise reduzieren und US-Investitionen im russischen Erdölmarkt forcieren. Zudem hatte Bush in seinem nationalen Energieplan im Frühjahr 2001 bereits angekündigt, westliche Erdölquellen jenen des Golfs vorziehen zu wollen . Und Russland ist in Fragen der Energieversorgung jedenfalls ein Teil des Westens geworden, ein Gegenpol zu den mehrheitlich islamischen Öl Exportstaaten. Groß war das Interesse von Energie Analysten in den letzten beiden Jahren an dieser neuen Achse des Öls. Doch was ist von geblieben?
Im Vorfeld des Irakkriegs zeigten sich bereits deutlich Diskrepanzen zwischen den USA und Russland. Zum einen steht der Irak mit ca. 12 Mrd. US-Dollar bei Moskau in der Kreide. Zum anderen geht es um die starke russische Abhängigkeit von Öleinnahmen. Hat doch die russische Volkswirtschaft, die ihre Wachstumsraten den Einnahmen aus Öl- und Gas Exporten der letzten drei Jahre verdankt, ein handfestes Interesse an einem höheren Preisniveau . Für die US-Wirtschaft hingegen wäre ein niedrigeres Preisniveau zwecks Ankurbelung der schwachen Konjunktur von Vorteil. Nach dem vorläufigen militärischen Ende der US-Operation im Irak müssen zudem die russischen Ölkonzerne, die lange im Irak technische und politische Vorarbeit für Konzessionen an irakischen Ölfeldern geleistet hatten, erzürnt mit ansehen, wie die ersten Verträge exklusiv an US-Firmen, allen voran der mit der Bush Administration eng verknüpften Halliburton Gruppe, gehen.
Russlands Wirtschaftskraft hängt am Ölpreis
Ein US-Protektorat im Land mit den zweitwichtigsten Ölreserven beäugt Russland argwöhnisch. Vladimir Ivanow, Leiter der Analyse Abteilung im russischen Außenministerium, betont: „Ein Drittel der russischen Staatseinnahmen stammt aus dem Öl- und Gasgeschäft, ein weniger fairer Preis würde unsere Wirtschaft schwer treffen." Jede Verschiebung um einen US-Dollar im Barrelpreis wirkt sich in einer Mrd. US-Dollar im russischen Budget aus. Pragmatisch plädiert Moskau für einen „optimalen Preis" im Sinne des von der Opec gewünschten Preisbandes von 22 bis 28 US-Dollar pro Fass. Dabei hatte Russland noch vor knapp einem Jahr der Opec mehrfach kalt den Rücken zugewandt. Beim Sondergipfel von Kairo am 28.12.2001 konnte die Opec mangels russischer Kooperation ihre Förderdrosselung kaum effektiv gestalten. Moskau redete sich damals gerne darauf aus, dass die Ölkonzerne fast alle in privater Hand sind, eine staatliche Einflussnahme auf Förderquoten daher nicht möglich sei. Russland machte damals klar, dass man kurzfristig mit einem noch niedrigeren Ölpreis leben könnte. Und langfristig hieß es, wollte Russland den Opec Marktanteil von rund 35 Prozent weiter entscheidend verringern Nun scheint dieser Preiskampf zwischen Sibirien und dem Golf vorerst beigelegt. Man rückt zusammen und wünscht kein US-Diktat im Ölgeschäft. Bei einem Energie Symposium Ende März, organisiert vom Wiener International Institute for Peace und dem Russischen Kulturinstitut, wurde von offizieller Moskauer Seite eines deutlich: Man wünscht den freien Zugang aller Ölfirmen zu den irakischen Feldern, nicht Sonderverträge für US-Konzerne.
Im Vergleich zu Venezuela und Nigeria, wo Streiks die Produktion dieser Opec Mitglieder hart treffen, fließt das Öl ruhig durch die russischen Pipelines. Kein Wunder, dass zwei Fünftel der russischen Exporte in den strategische Reserve der USA, die SPR, gehen. Doch die Harmonie zwischen den beiden Partnern, die sich jüngst noch in der Anti-Terror-Koalition eng verbündet sahen, schwankt. Auf politischer Ebene nehmen sich die offiziellen Vertreter Russlands gegenüber den USA schon jetzt kein Blatt mehr vor den Mund. Und der Nicht-Opec Produzent Russland scheint sich beinahe wieder an das Kartell annähern zu wollen. Vergessen sind die Quotenstreite des Vorjahrs. Hochrangig war die Delegation russischer Beobachter beim letzten Wiener Opec Gipfel. Besorgt zeigen sich die russischen Ölexperten, dass ein allfälliger Preisverfall ein schwerer Schlag für die Opec sei. Auch eine noch stärkere Bindung des Ölmarkts an den US-Dollar sorgt für wenig Freude. Im Gegenteil, innerhalb der neuen Gesprächsforen zwischen Paris, Berlin und Moskau wird konkret diskutiert, künftig Erdöl in Euro statt in Dollar abzurechnen. Und eine immer stärker von den USA in die Ecke gedrängte Opec, der gar drohen könnte, dass ihr Gründungsmitglied Irak von den USA aus dem Kartell herausgelöst wird, findet eine solche Perspektive attraktiv.
Europäer und Russen als natürliche Verbündete in der Energie
Geradezu als die Alternative für die Europäer zu einer US-Hegemonie am ölreichen Golf präsentiert sich die russische Ölwirtschaft. „Europa und Russland sind aufgrund ihrer geografischen Nachbarschaft, ihrer Geschichte, auch in Energiefragen natürliche Verbündete," betonte Alexander Karpushin, regionaler Vertreter von Rosneft. Dieser letzte Ölkonzern, der zu 100 Prozent noch in staatlicher Hand ist, bietet sich mit seinen Expansionsplänen europäischen Investoren an. Doch auch im Ölgeschäft gibt es keine Partnerschaft, die Zahlen müssen stimmen. Wenn die Förderbedingungen andernorts attraktiver sind, dann werden wohl auch die Bohrungen in Russland nachlassen. Das wissen die Russen nur zu gut. Die Ölproduzenten innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, die Russische Föderation, Kasachstan und Aserbeidschan haben nur mehr geringe Sonderkapazitäten. Russland überholt derzeit den weltweit wichtigsten Ölproduzenten Saudi Arabien, das über sieben Mio. Fass pro Tag fördert. Doch die Internationale Energieagentur IEA schätzt, dass aufgrund der sich erschöpfenden Vorräte der Höhepunkt der Produktion dieser Non-Opec Staaten im Jahr 2005 bereits überschritten sein könnte. Dann werden die nicht angezapften Reserven am Golf noch wichtiger. Russland und die Zentralasiaten könnten für Europa jedenfalls als Erdgaslieferanten weiterhin an Bedeutung gewinnen. Doch wie sich der Energiemarkt Europas langfristig gestaltet, ist eine ungeklärte Frage. Anders als die USA, die Energiepolitik schon vor über 70 Jahren zum Teil nationaler Sicherheit- und Außenpolitik erklärten, ist der EU diese Priorität leider immer noch nicht bewusst geworden. Vielleicht wird in diesem Umbruchsjahr klar, dass Eile in dieser Frage geboten ist, wenn sich Europa nicht einem US-Preisdiktat auf dem Ölmarkt beugen will.
Karin Kneissl
(Mit der freundlichen Genehmigung der Autorin)
Karin Kneissl: Dr. iur.; 1990-98 im diplomatischen Dienst der Republik Österreich; seither freie Korrespondentin und Lehrbeauftragte an der Universität Wien, der Diplomatischen Akademie Wien und libanesischen Einrichtungen.